Klimaschutz als „Aufgabe für alle“

RNZ 02.05.2025

Landrat Dr. Achim Brötel blickte auf „Aktuelle Themen und Zukunftsvisionen“ – Unterkünfte für Geflüchtete an ihren Grenzen

Buchen. (adb) „Wir kämpfen weiter, aber die öffentliche Hand kann nicht alle Probleme dieser Welt lösen!“ – Klare Worte fand Landrat Dr. Achim Brötel am Montag gegenüber den rund 100 Gästen, die dem Vortrag „Aktuelle Themen und Zukunftsvisionen im Neckar-Odenwald-Kreis“ lauschten. Ins Feuerwehrgerätehaus hatte der Montagstreff der Kolpingsfamilie Buchen eingeladen, für den Gerald Kaiser ein kurzes Grußwort sprach.

Zunächst empfahl Brötel, sich dem Kommenden mit Augenmaß zu nähern: „Man sollte nicht voreilig über die Zukunft urteilen, ohne sie zu kennen“, betonte er. Gleichzeitig solle man sie „nicht in rosaroten Farben malen, aber auch nicht zu schwarz sehen“. Erster Schwerpunkt seines medial unterstützten, gehaltvollen wie kurzweiligen Referats war ein „großer Unbekannter“ namens Landratsamt, dessen Organigramm er vorstellte. „Viele wissen mit dem Landratsamt nicht viel anzufangen“, bemerkte Brötel und erläuterte ebenso den Kreistag und dessen Funktion im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. „Der Kreistag ist kein allgemeines Parlament, sondern nur für kreiskommunale Themen zuständig“, bemerkte der Landrat.

Erstes Thema seines Vortrags waren geflüchtete Menschen: „Derzeit sind 808 Menschen in der vorläufigen Unterbringung des Landkreises untergebracht, von denen die Mehrheit aus Syrien stammt. Es gibt aber auch Geflüchtete etwa aus der Türkei oder der Russischen Föderation“, hob Brötel hervor und verwies auf eine „leichte Entspannung zum Jahresende 2023“, die jedoch die Ruhe vor dem Sturm gewesen sei – aktuell steigen die Zahlen wieder. Die Zahlen seien „eindeutig zu hoch“, die Unterkünfte an ihren räumlichen Grenzen.

Als Sonderfall gelten Menschen aus der Ukraine: Gegenwärtig halten sich deren 1842 im Kreisgebiet auf; 1052 davon sind privat untergebracht. „Die Zugänge sind leicht rückläufig, aber die Entwicklung in der Ukraine bleibt schwer einzuschätzen“, verdeutlichte er. Man benötige dahingehend dringend weitere Unterkünfte, doch die Stimmung in Gemeinderäten und der Bevölkerung sei im Keller. „Es war nicht leicht und wird schwierig bleiben“, urteilte er zusammenfassend und bezeichnete die Unterbringung, Versorgung, Integration und das Verhindern von Parallelgesellschaften als Ziele.

Von hoher Bedeutung ist auch der Klimawandel, der den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien erfordere. Hier ist der Neckar-Odenwald-Kreis in guter Stellung: „Wir sind auf Platz 7 von 44 baden-württembergischen Landkreisen“, bemerkte er und verwies auf die sechstgeringsten Co2-Emissionen im „Ländle“. Auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien laufe solide; spannend sei nur die Frage nach deren Ausbau. „Innerhalb der Metropolregion Rhein-Neckar ist der Neckar-Odenwald-Kreis der Landstrich mit den meisten freien Flächen. Das bedeutet, dass wir deutlich mehr bringen müssten etwa in Sachen Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik“, gab er zu bedenken. Eine mögliche Folge können gravierende landschaftliche Veränderungen sein. „Wir bekennen uns dazu, aber nicht um jeden Preis – wer deutlich mehr zahlt, muss dafür auch etwas bekommen“, mahnte er an.

Abrundend kam der Landrat auf die Genuss-Region, die Bio-Musterregion und die Fairtrade-Towns des Kreises sowie E-Mobilität zu sprechen: „Von 71 Säulen im Januar 2021 wuchs unser Netz auf derzeit 199 Ladepunkte an. Das ist gut, aber wir sind immer noch weit entfernt von einem flächendeckenden Netz“, erklärte er und definierte Klimaschutz als „Aufgabe und Verpflichtung für alle“.

In einem kompakten Ausriss widmete er sich weiteren Zukunftsthemen wie Mobilität, Glasfaserausbau, Bildung und Gesundheit. Hinsichtlich Mobilität rügte er wiederkehrende Probleme in Sachen „Frankenbahn“ und verwies gleichsam auf explodierende Kosten und fehlendes Fahrpersonal, verwies aber auch auf das erfolgreiche Ruftaxikonzept, kreisübergreifende stündliche Buslinien nach Tauberbischofsheim und Sinsheim sowie den dauerhaften Probebetrieb Osterburken-Lauda bei kommunaler Mitfinanzierung. „Ideen und Beschlüsse sind da, nur die Umsetzung ist nicht immer leicht“, räumte Dr. Achim Brötel ein.

Ein Erfolgsmodell sei dafür der seit 2008 forcierte Glasfaserausbau: „Die Umsetzung ist super gelungen, auch dank der BBV“, freute er sich und sprach von einer „soliden Datenautobahn“.

Was Bildung betrifft, sei der Neckar-Odenwald-Kreis grundsätzlich exzellent aufgestellt mit einem breitem Angebot an Schulen, stehe aber auch vor einer Herausforderung: „Wichtig sind der Erhalt aller Bildungsangebote trotz rückläufiger Schülerzahlen ebenso wie der weitere Ausbau der DHBW Mosbach und die Sicherung der Ausbildungswerkstätten in den beruflichen Schulen. Wer vor Ort keine Berufsschule besuchen kann, entscheidet sich für andere Berufe – so könnten ganze Handwerkszweige aussterben“, stellte er klar. Auch habe man einen hohen Investitionsbedarf: „Man kann die Berufe von morgen aber nicht mit der Technik von gestern ausbilden.“

Ähnlich ist die Situation im Gesundheitswesen, das „zur großen Aufgabe für den ländlichen Raum“ werde. Einerseits seien dem Kreis „die Krankenhäuser lieb und teuer“, andererseits habe man mit struktureller Unterfinanzierung, fixen Fallpauschalen und dauernd verschobenen Reformen zu kämpfen. Auch die Situation der Pflege werde nicht besser: Derzeit weist das Kreisgebiet 36 stationäre Pflegeeinrichtungen mit 2183 Dauerpflegeplätzen auf. „Zwar haben wir die höchste Versorgungsdichte Baden-Württembergs, aber das vorhandene Angebot wird auf Dauer voraussichtlich nicht ausreichen“, merkte er an. Die Versorgung mit Ärzten – insgesamt praktizieren 215 niedergelassene Ärzte im Kreis – sei „momentan vernünftig“, doch seien 42 Prozent der Hausärzte mehr als 60 Jahre alt. So müsse man auf Dauer „priorisieren, was wichtig ist“ und niemals den Mut verlieren. Mit einer Frage- und Diskussionsrunde schloss der Abend.