Buchemer Mörbs ist ein Stück Heimat für den Gaumen

Der Kolping-Montagstreff begab sich bei Wittemann auf die Spuren des Dialekts und der regionalen Handwerkskunst.

10.04.2024 Von Rüdiger Busch

Buchen. Wenn der Dialekt Heimat für die Ohren ist, dann ist ein echtes Buchemer Mörbs ein Stück Heimat für den Gaumen. Wie richtig Organisator Gerald Kaiser mit dieser Schlussfolgerung lag, das erlebten – oder besser noch: erschmeckten – die 20 Teilnehmer des Kolping-Montagstreff am Ende des rund zweieinhalbstündigen Abends in der Backstube und im Café der Bäckerei-Konditorei Wittemann. 

Auch wenn die Eingangsfrage "Heeßt des in Buche ,Mörbs‘ odda ,Merbsle‘?" trotz der Hinzuziehung von Dialekt-Expertin Dr. Isabell Arnstein nicht eindeutig geklärt werden konnte, so gab es darauf trotzdem eine richtige Antwort: "Hauptsache es schmeckt!"

Dass der kurzweilige Abend nicht nur eine Werbung für die Heimat und den Dialekt, sondern auch für das Handwerk war, lag an den Gastgebern: Stefan und Ute Wittemann und ihr Sohn Christian – alle drei Konditoren mit Leidenschaft, mit dem Herz am rechten Fleck und dem passenden Spruch auf Lager.

Auch wenn der Abend von Witz und Leichtigkeit geprägt war, wurde deutlich, wie anspruchsvoll ihre Arbeit ist und was es heißt, sein Leben, seinen Tagesablauf der Bäckerei unterzuordnen.

Dass man in der mollig-warmen Backstube schon ins Schwitzen kommt, bevor man überhaupt einen Finger rührt, war die erste Erkenntnis des Abends. Gerald Kaiser stellt dann die "zentralen Fragen des Lebens": "Was ist ein Mörbs?", "Wie macht man ein Mörbs?", "Heeßt des in Buche ,Mörbs‘ odda ,Merbsle‘?" und "Wie schmeckt ein Mörbs?"

Über die Definition des Mörbs herrscht schnell Einigkeit: ein süßes Stückchen aus Hefeteig, gefüllt und/oder mit Ribbele (Streusel) belegt. Weitaus länger dauert es, bis die leckere Versuchung fertig ist. Aber hier haben die Experten vorgesorgt: "Ich hab’ da mal was vorbereitet", sagt Stefan Wittemann im Stil eines Fernsehkochs und zeigt auf den Teig und Dutzende Mörbs in den verschiedenen Entstehungsstufen.

Anschließend demonstrieren er und sein Sohn Christian, wie Mörbs früher und heute hergestellt wurden bzw. werden, wie die für den unvergleichlich zarten Geschmack verantwortlichen Fettschichten in den Teig eingezogen werden (Fachbegriff: tourieren), und welche Sorten bei Wittemanns regelmäßig im Sortiment sind – acht an der Zahl, von der Vanilleschleife bis zur Mohnschnecke, werden an diesem Abend hergestellt.

Sobald die Teiglinge geformt, gefüllt oder belegt sind, wandert das Blech in den Ofen. Etwa eine halbe Stunde müssen die süßen Stückchen darin ausharren, doch schon nach wenigen Minuten zeigt die Hitze Wirkung: Die Mörbs gehen auf, nehmen an Volumen zu und ähnelen schon bald ihren aus der Ladentheke bekannten Artgenossen.

"In der Realität stehen wir aber nicht vor dem Ofen und schauen den Mörbs beim Backen zu", stellt Ute Wittemann klar. Doch heute kann sie diese Zeit nutzen, um über das Leben als Konditorin und Bäckerei-Fachverkäuferin mit eigenem Betrieb zu sprechen. Ab 3 Uhr herrscht normalerweise Leben in der Backstube – dementsprechend früh geht sie abends ins Bett, um auf ihre sechs Stunden Schlaf zu kommen.

Diese Arbeitszeiten macht sie auch mit dafür verantwortlich, dass der Beruf für den Nachwuchs kaum noch interessant ist – obwohl er doch ebenso wertvoll wie abwechslungsreich ist. Seit vielen Jahren sind die Wittemanns auf der Suche nach personeller Verstärkung, sie haben viel ausprobiert, auch zahlreichen Flüchtlingen eine Chance gegeben, doch letztlich ohne Erfolg. Das frühe Aufstehen, die anstrengende Arbeit – kaum einer hielt länger durch.

Deshalb ist die Familie – von einer Aushilfe abgesehen – in der Backstube meistens allein. Das hat dafür aber den angenehmen Nebeneffekt, dass hier wirklich ein Rädchen ins andere greift, wie die Besucher anerkennend feststellen: Jeder weiß, wo er hinzulangen hat. Erstaunlich schnell trifft dies aber auch auf die Kolpingbrüder und -schwestern zu, die sich als Handlanger betätigen und ihre ersten eigenen Mörbs formen dürfen.

Bald sind die Ergebnisse des Backabends fertig, doch zuvor berichtet Stefan Wittemann, wie viele Bäcker es einst in Buchen gegeben hat: zwölf. Und dann erklärt Isabel Arnstein, was die Sprachwissenschaft über das Mörbs weiß. Der Begriff kommt von mürbe und beschreibt so die zarte Beschaffenheit des Gebäcks. Dass man in Walldürn – und meist auch in Buchen – vom Mörbs spricht, liege am ostfränkischen Dialekt.

Weiter Richtung Kurpfalz dominiere dagegen das Südfränkisch: Deshalb spreche man in Eberbach vom Merbs und in Pforzheim gar vom Mirbs. Also alles Mörbs bei uns? Mitnichten. Für Stefan Wittemann ist klar: "Der Buchemer sagt Merbs!" Und in Hollerbach ist vom Merbsle die Rede, wie Friedbert Röckel einräumt. Die Erklärung ist einfach: Buchen liegt an der Grenze zwischen Ostfränkisch und Südfränkisch.

Aber spätestens, als Christian Wittemann die fertigen süßen Stückchen präsentiert und zum Verkosten einlädt, ist das einerlei: Sie schmecken einfach himmlisch, egal ob Mörbs oder Merbs.